Im Jänner 2024 startet Conni in Linz das erste offizielle Ladies Training – meiner Meinung nach ein ausgezeichneter Neujahrsvorsatz, der bereits Früchte trägt. Das Training ist offen für alle Waffengattungen und findet aktuell einmal im Monat als Pilotprojekt statt.
Der Auftakt
Im Fokus der ersten Trainings steht das spielerische Ausprobieren und ein gemeinsames Lernen, Forschen und Erleben der historischen Kampfkunst. Wir möchten ein Gefühl für die Waffe, die eigene Kraft, das eigene Empfinden und das Empfinden der Trainingspartnerin erlangen. Dabei agieren wir als Team, neugierig und unvoreingenommen. Was löst es in meiner Trainingspartnerin aus, wenn ich sie angreife? Wie reagiere ich darauf, getroffen zu werden? Wie kommuniziere ich, welche Intensität in Ordnung ist, welche mich überfordert und wo vielleicht noch mehr geht? Wie fühlen sich Fechtmaske und Handschuhe an? Wie verändert die komplette Ausrüstung Wahrnehmung und Beweglichkeit? Was fällt mir leicht und was schwerer? Welche instinktiven Reaktionen sind sinnvoll, welche eher hinderlich? Conni gibt uns die Möglichkeit, diesen Fragen gemeinsam und im eigenen Tempo auf den Grund zu gehen. Sicherheit, spielerisches Lernen, regelmäßiges Feedback der Trainingspartnerin? Yes please! Harte Arbeit und bitterer Ernst? Kann sein, muss aber nicht. Ins Schwitzen kommen wir trotzdem ordentlich. Das Feedback? Ich glaube, die leuchtenden Augen sprechen für sich.
Frauenthemen in HEMA
Nach meiner begeisterten Beschreibung des Trainings kann ich es ja gestehen: Als ich das erste Mal hörte, dass Conni ein Fechttraining nur für Damen ins Leben rufen möchte, war ich nicht überzeugt. Wenn frau ein Problem mit einem gewissen Level an Aggressivität oder dem einen oder anderen blauen Fleck hat, dann sollte sie sich vielleicht fragen, ob HEMA der richtige Sport für sie ist. Immerhin ist es eine Kampfkunst. Dann kamen mir andere Themen in den Sinn, z.B. dass die meisten von uns nun mal ihre Tage kriegen und wir tendenziell kleiner sind, und so gern wir Geschlechterrollen als veraltet unter den Tisch kehren wollen, müssen wir uns eingestehen, dass Frauen auch im 21. Jahrhundert teils anders sozialisiert werden als Männer. Vor allem in männerdominierten Sportarten und in Vereinen, in denen gemischte Trainingsgruppen die Norm sind, ist es deshalb umso wichtiger für uns Frauen, uns untereinander zu vernetzen und zu unterstützen. Bereits das Salzburger Ladies Weekend thematisierte viele Frauenthemen, die im regulären Training manchmal untergehen. Klar beeinflusst der weibliche Zyklus unsere Trainings- und Wettkampferfahrung. Im Schnitt verfügen männliche Sparringpartner über mehr Kraft und Reichweite. Typisch „weibliche“ und einigen von uns anerzogene Eigenschaften wie Bescheidenheit, Zurückhaltung und Harmoniebedürftigkeit sind dem Fechten eher hinderlich. Für diejenigen unter uns, die sehr kleine Hände oder großzügige Kurven haben, ist es schwieriger, gutsitzende Ausrüstung zu finden. Aufgrund unseres Geschlechts werden wir in so mancher Trainingssituation ungefragt anders behandelt als unsere männlichen Trainingspartner, während in anderen Trainingssituationen vielleicht ebendiese Unterscheidung notwendig wäre. Und hin und wieder wird mann nicht eindeutig übergriffig, aber doch unangenehm touchy, während andere schon nach zweimal Schnuppern ins mansplaining verfallen. Diese kleine Auswahl an Erlebnissen betrifft zwar nicht ausschließlich, aber doch mehrheitlich Frauen, und deren Erkennen und Ansprechen ist schon der erste Schritt zur Lösung. Anstatt irgendetwas schön zu reden, möchte ich es wissen: Welche biologischen Nachteile bringen wir gegenüber unseren männlichen Trainingspartnern mit? Wie viel Kraft können wir aufbauen und wie viel müssen wir durch Technik, Feingefühl oder schlicht und einfach harte Arbeit ausgleichen? Bringen wir vielleicht sogar Vorteile mit, die im gemischten Training nicht thematisiert und genutzt werden? Welche Hemmschwellen erschweren es Frauen eher als Männern, an bestimmten Trainings teilzunehmen? Wie setzen wir in unangenehmen Situationen Grenzen und wie weit haben wir selbst direkt Einfluss, indem wir klar und deutlich kommunizieren? Trainings wie das Linzer Ladies Training geben diesen Fragen Raum. Wir schaffen uns die Möglichkeit, unsere Erfahrungen zu teilen, Solidarität zu erfahren und gemeinsam Strategien und Lösungen zu finden. Hier arbeiten wir mit unseren Stärken, reduzieren Stressfaktoren und stellen das gemeinsame Erlebnis über die individuelle Leistung.
Ausblick
Die Vernetzung von Linzer Fechterinnen ist nichts Neues. Bereits seit einem Jahr veranstaltet INDES Linz den Fechterinnen Brunch, bei dem gelegentlich sogar die eine oder andere potenziell zukünftige Fechterin im Baby- bis Kleinkindalter mit dabei ist. Bei Kaffee, Brötchen und Co. gab es angeregte Unterhaltungen über oben angeführte Fragen – eine sehr heilsame und inspirierende Erfahrung. Deshalb freut es uns umso mehr, dass wir nun auch das praktische Pendant aktiv gestalten. Mit dem Fechterinnen Brunch und dem Ladies Training richten wir uns an Frauen, die einen anfängerfreundlichen Einstieg ins Fechten wünschen; an Frauen, die sich in anderen Trainings vielleicht (noch) nicht ganz aufgehoben fühlen; an Frauen, die lieber mit unterschiedlichen Methoden und Techniken spielen, als sich auf Turniere vorzubereiten; und an Frauen, die es trotz aller wortwörtlichen Schlag- und Tatkraft einfach genießen, mal ganz unter sich zu sein. In erster Linie gilt es, eine positive Fechterfahrung zu ermöglichen und Freude an der historischen Kampfkunst zu vermitteln. Wir möchten falsche Glaubenssätze und versteckte Hemmschwellen erkennen und überwinden. Das Training gestalten wir gemeinsam als Gruppe, weshalb Anregungen dazu und zu zukünftigen Schwerpunktthemen immer willkommen sind. Dass wir nebenbei noch Zeit mit lieben Freundinnen verbringen, ist ein willkommener Pluspunkt.
Also, Fechterinnen nah und fern, und all jene, die es noch werden wollen: Am 19. März geht es in die dritte Runde des Linzer Ladies Training und wir laden auch unsere Waffenschwestern von anderen Standorten und HEMA-Vereinen ein, um 20:10 im BORG Linz in der Honauerstraße mit dabei zu sein. Zum Fitnessblock davor sowie den anderen Trainings sind natürlich alle willkommen. Um kurze Voranmeldung wird gebeten.
Text: Monika M.
Fotos: Conni E.